
Jesus Christus geht für die Wahrheit Gottes den Weg ans Kreuz. Er verweigert sich den Machtspielen. Sicherlich, er hätte sich arrangieren können. Es hätte doch nicht dazu kommen müssen. Ein Narr Gottes – das Wort vom Kreuz eine Narretei. Mit den Augen vieler Zeitgenossen werden wir Christen sicher mit solchen Augen betrachtet. Und doch, bei Christus, dem Menschen und Gottessohn, bei dem wir ein radikal an Gott orientiertes Leben finden, das sich den Spielen menschlicher Wahrheitsfindung verweigert, finden wir wahres Leben, Leben in Wahrheit.
Mit dem Bild von Rembrandt Harmensz van Rijn „Ecce Homo“ ist uns ein Blick auf Gott und die Welt gegeben. Pilatus stellt Jesus vor die Volksmenge mit den Worten „Ecce Homo“, seht, welch ein Mensch. Oben stehen links und rechts Justitia und Fortitudo (Gerechtigkeit und Tapferkeit). So zeigt sich Gott, steigt hinab in die Verstrickungen unseres Lebens und hält uns den Spiegel vor, hinter dessen Bild das Bild Christi aufzuleuchten vermag. Jesus als der zweite Adam, dessen Bild ins neue Menschsein führt. In Würde steht er vor seinen Feinden und denen, die ihn verurteilen. Allein dadurch wird auf die Epiphanie, die Erscheinung Gottes, in aller Erniedrigung hingewiesen. Es ist die Epiphanie des Ganz-anderen, welche durch Wahrheit überwindet. Pilatus und alle vermeintlich Mächtigen fragen resigniert: Was ist Wahrheit? Sie sind und bleiben gefangen in den Machtstrukturen, zu denen sie selbst gehören. Links oben schaut am Fenster die Frau des Pilatus, die gerade den Boten mit ihrer Warnung abschickt. Sie hat schon mehr begriffen, als sich Pilatus eingestehen will. Das Volk unterstützt sein Streben nach Autorität und Macht: Wir haben ein Gesetz… Lässt du diesen frei, so bist du des Kaisers Freund nicht… Weg, weg mit dem! Kreuzige ihn! So wird es kommen.
In vielfacher Weise ist das Geschehen des „Ecce Homo“ dargestellt worden. In vielfacher Weise geschieht es Tag für Tag. Am 2. Fastensonntag (Reminiscere) haben wir von der Epiphanie Jesu auf dem Berg Tabor gehört. Mit dem 3. Fastensonntag (Oculi) sind wir zum Sehen angehalten, schon zum Schauen nach und auf Jesus als den Christus. So möge uns die Fastenzeit Besinnung und Umkehr bringen, dass wir die Wahrheit Gottes empfinden, erkennen, lieben und leben.
Jochen Schubert