Tagesliturgie – Sonnabend, 2. Januar

Liturgischer Impuls am 2. Januar 2021

Beginn:

„Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn,
der Himmel und Erde erschaffen hat.“

So beginnen wir unsere heutige Liturgie im Namen dessen, der uns erschaffen, uns erlöst und uns Seine bleibende Nähe versprochen hat: im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Lied aus Taizé (nach Worten von Dietrich Bonhoeffer):
„Gott, lass meine Gedanken sich sammeln zu Dir.
Bei Dir ist das Licht. Du vergisst mich nicht!
Bei Dir ist die Hilfe, bei Dir ist die Geduld.
Ich verstehe Deine Wege nicht, aber Du weißt den Weg für mich!“

(Link zum Anhören und Mitsingen: https://www.youtube.com/watch?v=tzxw3Bkqxsw)

 

Evangelium (Joh 1,19-28):

Dieser Abschnitt aus dem Johannes-Evangelium mutet eher adventlich an (wir haben ihn bereits am 3. Adventssonntag gehört). Was will er uns wenige Tage, nachdem wir die Geburt Jesu gefeiert haben, mit dem Verweis auf Johannes den Täufer sagen?

Es geht im heutigen Evangeliumstext zunächst um die Frage: „Wer bist du?“ – hier gestellt an Johannes. Einmal variiert diese Frage sogar ins (zumindest grammatikalisch gesehen) Sächliche: „Was bist du?“ Vielleicht ist hier eher der Beruf gemeint – im Sinne von: ‚Bist du Handwerker oder Lehrer oder … oder … oder …?‘

19 Dies ist das Zeugnis Johannes des Täufers:
Als die Juden von Jerusalem aus Priester und Leviten zu ihm sandten
mit der Frage: „Wer bist du?“,
20 bekannte er und leugnete nicht;
er bekannte: „Ich bin nicht der Messias.“
21 Sie fragten ihn: „Was bist du dann?
Bist du Elija?“
Und er sagte: „Nein, ich bin es nicht.“
„Bist du der Prophet?“

Er antwortete: „Nein.“

22 Da fragten sie ihn: „Wer bist du?
Wir müssen denen, die uns gesandt haben, Auskunft geben.
Was sagst du über dich selbst?“

23 Er sagte: „Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft:
‚Ebnet den Weg für den Herrn!‘,
wie der Prophet Jesaja gesagt hat.“

Ich frage mich, was ich auf die Frage: „Wer bist du?“, antworten würde. Vermutlich erst einmal meinen Namen. Aber dass Johannes eben so heißt, wie er heißt, und dass er der Sohn von Zacharias und Elisabet ist, das dürften die Fragenden und ihre Auftraggeber damals gewusst haben. Also zielte ihre Frage wohl tiefer: nach seiner Rolle, seinem Auftrag in der Heilsgeschichte – in Bezug auf das Kommen des Messias‘, auf den alle gläubigen Juden warten. Entsprechend antwortet Johannes auch, dass er weder der Messias noch Elija oder „der Prophet“ sei. Er stellt sich nicht in den Mittelpunkt – auch wenn er in dieser Szene durchaus im Mittelpunkt steht –, aber er weiß sehr wohl um seinen Auftrag, um seinen eigenen Platz in der Geschichte Gottes mit den Menschen als „Stimme, die in der Wüste ruft“… und auf das Kommen des Herrn („Ebnet den Weg für den Herrn!“) hinweist.

Wir haben uns an diese Bezeichnung gewöhnt: „Rufer in der Wüste“ – aber was meint dieses Bildwort? „Wüste“ – das ist unwegsames, lebensfeindliches Gelände, karg, schutzlos, ohne das lebensnotwendige Wasser, ohne Vegetation, vielleicht noch ‚bewohnt‘ von (Raub-)Tieren, die mit ihren Bissen töten oder tödliches Gift übertragen. Menschliches Leben? Fehlanzeige! Hier rufen – welchen Sinn sollte das haben, wenn da ja doch niemand ist, der den Ruf hören und ihm folgen könnte?? – Oder ist eher die geistliche Wüste gemeint, eine Art Gleichgültigkeit, die auch die gläubigen Menschen befallen hat(te)? Dann könnte es eine Art Weckruf sein: „Ebnet den Weg für den Herrn!“ Durchaus im Sinne von: ‚Achtung: ER kommt bald! Bereitet euch darauf vor!‘ Den Ruf des Johannes schienen damals recht viele Menschen zu hören und von ihm berührt zu werden, denn große Menschenmassen strömten damals zu Johannes und ließen sich von ihm taufen (vgl. Mt 3; Mk 1; Lk 3).

24 Unter den Abgesandten waren auch Pharisäer.
25 Sie fragten Johannes:
„Warum taufst du dann, wenn du nicht der Messias bist,
nicht Elija und nicht der Prophet?“

26 Er antwortete ihnen: „Ich taufe mit Wasser.
Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt

27 und der nach mir kommt;
ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren.“

28 Dies geschah in Betanien, auf der anderen Seite des Jordan,
wo Johannes taufte.

Trotz des Zulaufs ist sich Johannes bewusst und sagt es auch deutlich: „Ich bin nicht der Messias!“ (v. 20) Er ist nur der, der auf ihn hinweist – und der sich nicht als würdig erachtet, „ihm die Schuhe aufzuschnüren“. Johannes überschätzt sich nicht, und er weiß doch um seine Aufgabe und deren Wichtigkeit – in einer Linie mit Jesaja, dessen Worte er sich zu eigen macht, und dem kommenden Messias, auf den er hinweist.

Mich bewegt auch der Satz des Johannes: „Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt.“ (v. 26) Könnte dieser Satz nicht auch uns gesagt sein? Denn: kenne ich meine Mitmenschen wirklich? Weiß ich um ihren „Auftrag“, oder ahne ich ihn zumindest? Könnte nicht wirklich ein Bote Gottes darunter sein – und kann nicht sogar jeder Mensch, dem ich begegne, mir zum Boten Gottes werden? Was würde sich wohl alles verändern, wenn wir mit solcher Hochachtung miteinander umgehen würden!!

 

Die Frage „Wer bin ich?“ trieb auch Dietrich Bonhoeffer in seiner Zeit im Konzentrationslager um. Im Jahr 1944 schrieb er in seiner Gefängniszelle u.a. die folgenden Zeilen:

„Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest,
wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig, lächelnd und stolz,
wie einer, der Siegen gewohnt ist.

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selber von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und leer zum Beten, zum Denken und Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen.
Wer bin ich? Der oder jener?
Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
und vor mir selber ein verächtlich wehleidiger Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.

Wer ich auch bin. Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!

(© www.dietrich-bonhoeffer.net)

Jede Beziehung, jede Begegnung verändert einen Menschen. Ebenso ist es mit der Beziehung zu Gott: Die Weise, wie Gott ihm begegnet, prägt den Menschen und sein Selbstbild. Andreas Knapp drückt das in seiner Sprache folgendermaßen aus:

wer bist du

schon immer erwartet
wie eine ganz große liebe
und doch ganz anders

dein name ein fremdwort
das sich selber übersetzt
hinein in unser fleisch und blut

du bist das gottgesättigte wort
und zugleich für unsre armen worte
gottes offenes ohr

von den großen klein gemacht
hast du doch
die kleinen groß gemacht

den habenichtsen dieser erde
bist du der künder
eines freien himmels

einheimisch im heiligen geheimnis
ziehst du alle zu dir hin
die sich selber in der fremde sind

angesichts deiner
leuchtet das göttliche antlitz
menschlich sichtbar

mein wahres ansehen
empfange ich
allein durch deinen blick

du schaust mich an
also
bin ich

(Andreas Knapp)

 

Fürbitten:

Gott ist Mensch geworden, damit wir immer mehr zu Menschen werden. Beten wir
– für die Menschen, denen wir in diesen Tagen begegnen
– für die Menschen, die in diesen Tagen krank sind
– für die Pflegenden und die Seelsorgerinnen und Seelsorger
– für die Menschen, die nicht mehr ein noch aus wissen
– für die Menschen, mit denen wir uns schwertun
– …

Legen wir alles, was unsere Herzen bewegt, vertrauensvoll in das Gebet, das Jesus selber seine Jüngerinnen und Jünger zu beten lehrte:

Vater unser…

Segen:

Gott,
Du Quelle des Lebens,
Du Atem unserer Sehnsucht,
Du Urgrund allen Seins:
Segne uns
mit dem Licht Deiner Gegenwart,
das unsere Fragen durchglüht
und unseren Ängsten standhält.
Segne uns,
damit wir ein Segen sind
und mit zärtlichen Händen
und einem hörenden Herzen,
mit offenen Augen
und mutigen Schritten
dem Frieden den Weg bereiten.
Segne uns,
dass wir einander segnen und stärken
und hoffen lehren
wider alle Hoffnung,
weil Du unserem Hoffen Flügel schenkst.
Amen.
So sei es. So ist es.
Amen.

(Katja Süss)

 

Text: Elisabeth Meuser
Fotos: Bernhard Riedl, pfarrbriefservice.de (Wüste), Eva Kottek (Taufstelle am/im Jordan)