Brief in die Ewigkeit – Newsletter Nr. 35

Lieber heiliger Joseph,

heute richtet sich mein Brief an Dich. Gerade während der Weihnachtszeit wird über Dich oft gesprochen. Allerdings scheinst Du während des übrigen Jahres keinesfalls die Bedeutung zu haben, die Dir eigentlich zustehen sollte. Ich wusste gar nicht, dass erst Papst Pius IX Dich vor ca. 150 Jahren heiliggesprochen hat und Papst Franziskus Dich anlässlich des Kirchenjahres 2020/21 in den Mittelpunkt gestellt hat, wobei er sogar anlässlich des 150. Jahres Deiner Heiligsprechung in diesem Kirchenjahr einen Generalablass für alle Gläubigen verfügte.

Im Mittelpunkt der Kirche hast Du nicht gestanden, dies kam Deiner Frau und der Mutter unseres Herrn Christus, Maria zu. Während Maria die Lichtgestalt der Kirche ist, bist Du immer im Schatten des Geschehens gewesen. In der Bibel gibt es nur wenige Berichte, die über Dein Leben Auskunft geben. Dabei ist lediglich bekannt, dass Du Zimmermann gewesen bist und Jesus bei Dir ebenfalls diesen Beruf erlernt hast. Was später aus Dir geworden ist, wann Du in welchem Ort gestorben ist, hat offensichtlich keinen interessiert, so dass darüber nichts bekannt geworden ist.

Mit dem Dekret des Papstes Pius IX Quemadmodum Deus wurde Joseph zum Schutzpatron der heiligen katholischen Kirche erklärt. Schließlich ist Joseph der keusche Gatte der Maria, die bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung schwanger gewesen ist. Dabei muss man dies im Zusammenhang mit der damaligen gesellschaftlichen Auffassung sehen, die es eigentlich nicht akzeptierte, dass eine Frau bereits vor einer Ehe schwanger war und deshalb sogar verstoßen wurde. Insofern ist die Botschaft, die Deine Frau Maria vom Erzengel Gabriel erhalten hatte, „Fürchte Dich nicht“ auch eine Botschaft an Dich als den Ehemann der Maria gewesen. Du bist somit – ohne den leiblichen Vater von Jesus gewesen zu sein – der verlässliche Ernährer der Heiligen Familie, der treusorgende Vater und der gehorsame Diener Gottes sowie der verlässliche Ehemann Deiner Frau Maria gewesen. Es ist bekannt, dass Dein sogenannter Ziehsohn Jesus bei Dir das Zimmermannshandwerk erlernt hat.

Es ist allerdings auch überliefert, dass Du, obwohl als Zimmermann dem damaligen bürgerlichen Stand zugerechnet wurdest aus dem Geschlecht des König Davids entstammtest, so dass Du insofern von dem sogenannten einfachen Volk erhoben wurdest. Lieber Joseph, da ich als Dein Erdenbruder kein Theologe, sondern nur schlichter Sozialpädagoge bin, nehme ich an, dass Deine adlige Herkunft und Deine gleichzeitige Eingebundenheit in die mittlere bürgerliche Gesellschaft etwas damit zu tun haben dürfte, dass die damaligen Zeitgenossen, nämlich die Juden, damit bestätigt erhalten haben, dass mit der Geburt von Jesus, ihr Messias auf die Welt gekommen ist. Natürlich konnte dieser nach der damaligen Auffassung der Juden nur einem adligen Geschlecht entstammen.

Die Tugenden, die man Dir nachsagte, also die Keuschheit, die Zuverlässigkeit und das Einstehen für eine Frau, die in der damaligen Zeit bei einem unehelichen Kind keine gesellschaftliche Achtung erwarten konnte, werden heute von vielen sich fortschrittlich glaubenden Menschen nicht mehr geteilt. Sie zeigen aber anderseits denjenigen, die sich nicht einem allgemeinen Mainstream sogenannter gesellschaftlicher Meinungen unterwerfen, dass es eben nicht die großen Lichtgestalten der damaligen Gesellschaft und auch der heutigen Gesellschaft sind, auf die sich die Menschheit stützen kann und von denen eine neue und für die Menschheit zukunftsweisende Entwicklung erwartet werden kann. Insofern bist Du heiliger Joseph ein leuchtendes Beispiel für das was Christus einmal in einer seiner vielen Predigten gesagt hat: Die Ersten werden die letzten sein und was oben ist, wird auch sehr schnell unten sein. In diesem Sinne täte unsere heutige Gesellschaft gut daran, den heiligen Joseph in einem anderen Licht zu sehen und als Vorbild zu verehren, wie es Papst Franziskus im Kirchenjahr 2020/21 getan hat.

Es grüßt Dich herzlich, Dein Erdenbürger Jörg-Michael Bornemann