Brief in die Ewigkeit, Nr. 26

Liebe Schwestern und Brüder in der Urkirche,
wenn ich die ersten Entwicklungen der Urkirche in der Apostelgeschichte lese, dann fällt mir Eure große Übereinstimmung in einer gemeinsamen Zielsetzung auf, die Ihr für Euch damals im Auge hattet. Natürlich wart Ihr beseelt von dem Gedanken, dass Christus wieder auf die Erde kommt und die Erde und der Himmel in einer großen Auferstehung zusammenfinden. Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch schon damals so gewesen sein, dass sich einige Gemeindemitglieder der Urkirche über den Weg in die Ewigkeit und damit in die Auferstehung uneinig waren, in der Zielsetzung bestand jedoch Übereinstimmung.
Vielleicht hatten die von Jesus persönlich auserwählten Jünger, wobei sich unter den Jüngern wohl nicht nur Männer, sondern auch Frauen befunden haben, die ersten Gemeinden sehr stark geprägt, so dass man sich nicht nur mit theoretischen Überlegungen befasst hatte, sondern sehr praktisch in einer Gemeinschaft alles teilte, so dass man insoweit von einer Art des Urkommunismus sprechen kann. Dieser hatte keinen ideologischen Überbau, sondern war ausschließlich geprägt durch gegenseitiges Stützen und dem gerechten Verteilen der materiellen Güter, so dass es keinen wirtschaftlichen Stärkeren oder wirtschaftlich Schwächeren gab. Nur so wird es auch zu erklären sein, dass die Christen in den Urgemeinden allein durch ihr Handeln Vorbild für die Nichtchristen gewesen sind. Wahrscheinlich haben es die damaligen Bürger gar nicht verstanden, warum die Christen so handeln, sie konnten aber erstaunt feststellen: “Seht die lieben sich untereinander“.
Woran liegt es, dass die heutigen Christen diese Gewissheit und diese Freude oft nicht mehr ausstrahlen, so dass diejenigen, die gar nicht an Christus glauben, sagen können, auch diejenigen, die sich Christen nennen, unterscheiden sich gar nicht von den Nichtchristen. Könnt Ihr uns sagen, welche gemeinsame Ziele wieder formuliert werden können, damit die Christenheit wieder als solche erkennbar ist? Auch wir sollten, ja wir müssen davon ausgehen, dass diese irdische Welt endlich ist, so dass sie zu irgendeinem Zeitpunkt, den keiner von uns kennt, in ein großes Ganzes aufgehen wird. Man mag dies als den Himmel oder die Erlösung nennen, letztlich geht es auch uns genauso wie Euch, dass wir an die Auferstehung in einer unendlichen und ewigen Welt glauben.
Wahrscheinlich hat es Euch in der Urgemeinde nicht ausgereicht, nur das gemeinsame Miteinander als Ziel zu sehen. Ihr habt direkt an die Wiederkehr des Heilands geglaubt. Ich glaube, dass dieser Gedanke eine wesentliche Triebfeder Eures Handelns gewesen ist. Es reicht offensichtlich nicht aus, sich nur auf ein materielles Wohlbefinden zu orientieren. Wir müssen wahrscheinlich wieder unsere Ziele neu definieren und sie nicht an den üblichen weltlichen Maßstäben orientieren. Kirche muss wieder auf das Jenseits gerichtet sein, ohne das Diesseits aus dem Auge zu verlieren. Wie man aus der Apostelgeschichte lesen kann, haben sich die Streitereien, die es auch schon bei Euch gegeben hatte aufgelöst, weil alle wirklich an die Wiederkunft des Herren geglaubt haben.
Die Osterzeit ist ein guter Anlass sich wieder auf das zu besinnen, was Kirche ausmacht. Es ist eine Möglichkeit neue Perspektiven zu entwickeln und sich nicht so sehr in der Kirche mit tagespolitischen Kontroversen zu befassen, sondern wieder einmal intensiv zu hinterfragen, was es für uns bedeutet, wenn es Ostern heißt: „Christus ist wahrhaftig auferstanden!“
In diesem Sinne hoffen und beten wir, dass Ihr uns ein wenig an Eurem damaligen geistlichen Aufbruch teilhaben lasst, denn das ist heute sehr wichtig geworden.

Es grüßt Euch Euer Erdenbürger Jörg-Michael Bornemann