Ja, der Funke hat schließlich doch gezündet, und unsere Wallfahrt hat auch in diesem, dem Heiligen Jahr, stattgefunden. Unser Ziel war das Sorbenland, also das Gebiet, in dem der Katholizismus überlebt hat, nachdem das Bistum Meißen im Zuge der Reformation untergegangen war. Besondere Orte sind dabei die beiden Klöster St. Marienthal und St. Marienstern, der Wallfahrtsort Rosenthal und der Dom St. Petri in Bautzen.
Unser erstes Ziel war Rosenthal. Hier feierten wir Hl. Messe mit Pfarrer Prause. Er hat uns dankenswerterweise durch den ganzen Tag geistlich begleitet. Dieser Ort mit dem Gnadenbild Unserer Lieben Frau von der Linde wurde 1360 zuerst urkundlich erwähnt. Damals gehörte ein Teil des Dorfes dem Kloster St. Marienstern, ab 1506 dann das ganze. Zuerst wurde für das Gnadenbild eine hölzerne Kapelle gebaut, später eine steinerne. Die heutige Kirche stammt von 1778, aber erst 1786 übertrug man das Gnadenbild aus der Kapelle auf den Hochaltar der Kirche. 1945 brannte die Kirche bis auf die Grundmauern nieder, das Gnadenbild wurde gerettet. 1974 kamen vertriebene Zisterziensermönche aus Osek nach Rosenthal und richteten hier ein Priorat ein. Die letzten beiden Mönche sind 2006 gestorben. Bistum und Kloster St. Marienstern bemühen sich gemeinsam um den Erhalt der Wallfahrt.
Weiter ging es nach Schmochtitz. Unterwegs sahen wir Wegweiser, auf denen sich die Bezeichnung „Bischof-Benno-Haus“ erhalten hat. Viele schöne Erinnerungen verbinden sich für viele von uns mit diesem Haus und diesem Namen. Hier empfing uns Pfarrer Dr. Michael Kleiner zum ersten Teil seiner kenntnisreichen Führung. Das Haus hat eine bewegte Geschichte vom Ursprung vermutlich als Zollstation, dann wurde es Rittergut, barocker Landsitz, Priesterseminar und schließlich kirchlicher Landwirtschaftsbetrieb. Nach 1990 wurde das Schloss wieder aufgebaut und weitere Gebäude saniert, und der Komplex wurde katholische Bildungsstätte und Tagungshaus des Bistums Dresden-Meißen. Am 7. September 2020 wurde das Bischof-Benno-Haus in „Bildungsgut Schmochtitz Sankt Benno“ umbenannt. Wir wünschen dem Haus alles Gute. Es ist ein wunderschöner Ort. Und er birgt ein künstlerisches Juwel: die Kapelle im Schloss wurde von Friedrich Press gestaltet. Die Werke von Friedrich Press machen betroffen, „aber gerade dieses Betroffen-Sein… ist Glaubensverkündigung in der Sprache der Kunst.“ (Siegfried Foelz) Für die Kapelle allein brauchte man eine halbstündige Führung, aber auf uns wartete das Mittagessen. Danach folgte der zweite Teil der Führung durch einen Teil der Außenanlagen mit Elysium und Paradiesgarten. Die Sphinx wurde von der damaligen Besitzerin, Auguste Charlotte von Kielmannsegge, im barocken Stil des Schlossparks in Auftrag gegeben. Nach den napoleonischen Kriegen wurde die Skulptur umgestaltet, um die Siege Napoleons in Ägypten zu ehren, und von Schülern Balthasar Permosers neu geschaffen.
Die dritte Station unserer Wallfahrt war der Dom St. Petri in Bautzen. Er ist die größte und älteste Simultankirche Deutschlands. Hier wird seit 1523 katholischer und evangelischer Gottesdienst gefeiert zu verschiedenen Zeiten, versteht sich. Der alte Chor ist heute die katholische Konkathedrale, das Schiff evangelische Pfarrkirche. An der Stelle des alten Lettners befindet sich ein Gitter mit zwei Türen. Dass das Bautzener Kollegiatstift.in der Reformationszeit katholisch bleiben konnte, lag einerseits an der persönlichen Entscheidung seiner Mitglieder, andererseits an dem Umstand, dass die Lausitzen seit 1158 bis 1635 zu Böhmen gehörten und schließlich an dem entschlossenen und weitsichtigen Handeln des Dekans und bischöflichen Generalkommissars Johann Leisentrit (1527 – 1586). So gelang es, die Lausitz vom Schicksal des Meißner Bistums zu lösen. 1921 konnte das Bautzener Kapitel sein 700jähriges Bestehen feiern, und Papst Benedikt XV. (1854 – 1922) erhob es zum Domkapitel des wieder errichteten Bistums Meißen.
Der Betrieb einer Simultankirche erfordert ständige gute Abstimmung. Wen wundert es, wenn da auch manchmal etwas schief geht. Und so feierten wir unsere Abschlussandacht in der Liebfrauenkirche, früher außerhalb der Stadtmauer gelegen. Sie ist ebenfalls schon sehr alt. Die Ursprünge liegen in der Mitte des 11. Jahrhunderts. Sie war die Kirche für die unmittelbar vor den Stadtmauern und auf den Dörfern der Umgebung lebenden Katholiken. Da diese meist Sorben waren, wird diese Kirche seit alters her auch als die „sorbische Kirche“ bezeichnet. Heute ist sie eine Filialkirche der Dompfarrei. Mit dem gemeinsamen Pilgergebet klang dieser wunderschöne, sonnige Wallfahrtstag aus. Hier die Schlusszeilen:
„Erwecke die Sehnsucht nach dir in uns neu.
Deine Zukunft ist unfassbar größer,
wunderbarer als wir es erahnen.
Mit deiner ganzen Schöpfung rufen wir:
Halte die Welt in deinen Händen,
gib Schutz und Segen für alles, was lebt.
Sei vor uns und mit uns und über uns.
Gepriesen bist du, Gott, in Zeit und Ewigkeit.
Amen.“
(Christian Esser für Ilse Boddin)