Wallfahrt nach Mariaschein in Nordböhmen und Königstein
Um den Herbstanfang herum lädt die Gemeinde St. Hubertus zur Wallfahrt ein. Das ist nun schon eine schöne Tradition geworden. Mariaschein ist für viele Katholiken aus Sachsen ein bekanntes, beliebtes Wallfahrtsziel, vom Mückentürmchen mit der Seilbahn gut zu erreichen. Wir sind mit dem Bus gefahren.
Beim Betreten der Kirche zur schmerzhaften Muttergottes fällt als erstes der Säulenbaldachin auf. Er ist 21 m hoch und dem in St. Peter in Rom nachempfunden. Die Kirche soll den Grundriss von Il Gesu in Rom haben. Der Hochaltar bildet den Rahmen für den kostbarsten Schatz von Mariaschein, das Gnadenbild der schmerzhaften Muttergottes. Es ist eine Statue aus Lindenholz, 15 cm hoch.
Für die Gründung des Wallfahrtsortes und des Klosters gibt es natürlich eine Legende. 1421 wird das Kloster Schwaz von den Hussiten geplündert. Die Nonnen fliehen in unwegsames Gelände und kommen dort eine nach der anderen ums Leben. Die letzte Nonne versteckt das Gnadenbild in einem Baum, einer Linde. Später, an einem 8. September, kommen Leute an diese Stelle und wollen Gras sammeln. Eine Magd wird von einer Schlange angefallen, die sich um ihren Arm schlingt. Ein Lichtstrahl aus der Linde lässt die Schlange das Weite suchen. Die Magd erzählt dieses unglaubliche Geschehen, und Bürger aus Graupen, heute Krupka, untersuchen die Linde und finden das Gnadenbild. Sie überführen es in feierlicher Prozession in ihre Stadtkirche, aber am nächsten Morgen ist es wieder bei der Linde. Daraufhin wird dort eine Kapelle gebaut, erst aus Holz, dann aus Stein, und Menschen kommen in wachsender Zahl zu dem Gnadenbild. Die heutige Basilika wurde 1701 bis 1708 im Stil einer barocken Jesuitenkirche errichtet. 1587 war das damals bestehende Franziskanerkloster an das Clementinum der Jesuiten in Prag übergeben worden. Der letzte Jesuit in Mariaschein, Pater Josef Cúkr ist 2014 gestorben, nachdem er die Rückgabe der Gebäude an die Kirche 1992 und die Wiedererrichtung des Gymnysiums 1993 noch erleben durfte.
Wir hatten in der Kirche einen Wortgottesdienst mit dem ortsansässigen Diakon. Anschließend hat er uns die Kirche erklärt und von ihrer Geschichte berichtet. Dann hatten wir Zeit zur Besichtigung der Außenanlagen mit dem geräumigen Kreuzgang mit 68 Fresken und dem Marienbrunnen.
Familie Meyer, die auch diese Wallfahrt wieder hervorragend vorbereitet hatte, hatte uns für den Tag ein Rätsel aufgegeben: Was haben Banknoten und eine Schlange mit unseren Wallfahrtszielen zu tun? Der Schlange sind wir hier in der Gründungslegende begegnet, aber was ist mit den Banknoten? Stille Kollekte kann nicht gemeint sein, das wäre zu einfach.
Zunächst einmal fahren wir nach dem Mittagessen – endlich mal wieder die herrlich lockeren böhmischen Knödel! – durch das wunderschöne Elbtal immer am Fluss entlang, der sich in seinen vorgesehenen Grenzen hält aber trotzdem recht imposant aussieht.
Unser Ziel ist die Kirche St. Marien in Königstein. Dort erwarten uns Kaffee und Kuchen. Aber zuerst besichtigen wir die Kirche, 1910 bis 1912 gebaut. Sachsen war seit der Reformation evangelisch (bis auf die Lausitz, die damals noch zu Böhmen gehörte). Die Konversion Augusts des Starken hatte nur Auswirkungen auf den Hof. Katholisches Leben bekam in Sachsen erst wieder Aufschwung infolge der Industrialisierung durch Zuzüge von Arbeitsmigranten aus dem Osten im 19. Jahrhundert. So war es auch in Königstein. Der Kirchenbau und der Bau des Pfarrhauses wurden gefördert durch Unternehmer-persönlichkeiten. Einer dieser Unternehmer war Hugo von Hoesch. Er entstammte einer einflussreichen Unternehmerfamilie im Ruhrgebiet. 1876 kaufte Hoeschs Vater auf einer Zwangsversteigerung die in Hütten/Bielatal gelegene Königsteiner Papierfabrik, die Hoesch zu einer der modernsten Feinpapierfabriken Deutschlands ausbaute. 1914 stieg er in das Banknotenpapiergeschäft ein. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurden Maschinen und Anlagen demontiert. Ein Jahr später wurde die Fabrik unter dem Namen VEB Feinpapierfabrik Königstein wieder aufgebaut. Hier wurden also die Banknoten für die gesamte DDR hergestellt…Damit ist nun auch der zweite Teil der Rätselfrage gelöst.
Dass die Kaffeetafel für uns im benachbarten Pfarrhaus gedeckt war, ist auch nicht selbstverständlich. Die Bistumsleitung hatte das Pfarrhaus verkauft. Zum Glück war der Käufer und heutige Eigentümer Gemeindemitglied. Er hat der Gemeinde die weitere Nutzung der Räume im Erdgeschoss ermöglicht: eine kleine Küche, die Toilette und der Gemeindesaal.
Er war angebaut worden, um als Winterkirche zu dienen.
Pater Paul Li hat uns durch den Tag begleitet von der Statio am Morgen bis zum Abend. So hatten wir zum Abschluss eine sehr schöne Eucharistiefeier mit der Königsteiner Gemeinde. Lob und Dank erfüllten die Herzen und flossen von den Lippen auf der Heimfahrt.
Ilse Boddin