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Ukraine-Hilfe

Interview mit Sr. Noemi aus Kossiv in der Ukraine  

Am 25. Juli haben Jakob Naue (Vertreter der Jugendgruppe aus der Neustadt), Lukas Liepach (Dekajugendreferent) und Kaplan Przemek Kostorz einen Hilfsgütertransport in Richtung Przemysl (Grenzstadt zur Ukraine) begleitet. Dank der Aktion „Weniger ist mehr“ konnten Medikamente gekauft werden, die in Przemysl an die Oberin des ukrainischen Klosters in Kossiv (Schwester Noemi) übergeben werden konnten. Bei dieser Gelegenheit konnten wir sie persönlich kennenlernen und befragen.

Liebe Schwester, wir sind sehr dankbar, dass wir hier bei Ihnen im Kloster sein dürfen.

Können Sie sich kurz vorstellen?

Ich heiße Sr. Noemi und arbeite seit sechs Jahren in der Ukraine. Ich gehöre dem Orden des

Heiligen Felix an. In der Ukraine arbeite ich als Erzieherin in unserem Kindergarten und bin auch die

Oberin unseres Klosters.

Warum haben Sie sich für das Leben im Kloster entschieden?

Die Schwestern vom Heiligen Felix waren mir schon als Kind wohl vertraut, weil sie in meiner

Heimatgemeinde vertreten waren. Nach der Schule schloss ich eine Ausbildung zur Schneiderin ab.

Wie es das Pech so wollte, trat nun meine jüngere Schwester in diese Ordensgemeinschaft ein.

Nachdem ich meine Schwester eine längere Zeit nicht gesehen hatte, entschloss ich mich zu einem

Besuch im Kloster kurz vor Weihnachten. Ich selber war so begeistert von der Atmosphäre und der

Gemeinschaft im Kloster, dass ich mich selber zu einem Eintritt entschloss. Ich bekam einen Monat

Zeit, um mich auf den Eintritt vorzubereiten und mit meinem alten Leben abzuschließen. Alle

Familienmitglieder haben mich in meiner Entscheidung unterstützt, außer meinem Vater. Er wollte

seine letzte Tochter nicht auch noch „verlieren“. Als mein Vater eines Tages verreiste, verabschiedete

ich mich von meiner Mutter und fuhr mit dem Zug ins Kloster. Ich begegnete meiner Entscheidung

mit viel Respekt, denn die Angst, meine Heimat nie wieder zu sehen, war sehr groß.  Bei meinem

Eintritt war ich 19 Jahre alt. Bereits nach sechs Monaten durfte ich das Gewand des Ordens tragen.

Nach zwei Jahren der intensiven Vorbereitung, legte ich mein erstes Gelübde ab.Ich wurde an vier

verschiedenen Orten in Polen und in Frankreich eingesetzt. Da ich musikalisch begabt bin, schickten

mich die Vorgesetzten zur Kantorenausbildung. 2017 erfüllte sich mein Wunsch, in der Ukraine tätig

zu werden. 

Können Sie etwas mehr über die Aufgaben ihres Ordens erzählen?

Die Gründerin meines Ordens stammte aus einer wohlhabenden Familie. Sie war persönlich sehr

betroffen von den sozialen Missständen, denen sie tagtäglich auf der Straße begegnete. Ihrer

Meinung nach konnte man die Missstände durch die Bildung von Kindern und Jugendlichen

verbessern. Auch das leibliche Wohl sollte nicht vernachlässigt werden. Unsere Kinder- und

Jugendeinrichtungen basieren genau auf dieser Haltung. Es dauerte nicht lange, da schlossen sich

weitere Mädchen dieser Initiative an. Da der Kaiser zu dieser Zeit die Gründung von Klöstern verbat,

entschlossen sich die jungen Frauen zum Tragen ähnlicher Kleidung als Zeichen der

Zusammengehörigkeit. Eine Unterkunft fanden sie neben einer Kirche in Warschau. Im Inneren

dieser Kirche befand sich ein Altar des Heiligen Felix, dessen Lebensgeschichte sie so inspirierte, ihm

nachzufolgen. Seitdem nannten sich die Schwestern nach ihm.

Inwiefern hat sich ihr Leben mit dem Kriegsbeginn verändert?

Seit dem Beginn des Krieges veränderte sich unser Leben komplett. Viele bisherige Aufgaben

rückten in den Hintergrund oder fielen komplett weg. Mir ist persönlich aufgefallen, dass sich unser

Leben, Handeln und Denken nun auf das Wesentliche konzentriert. Diese Situation hat dazu

beigetragen, dass ich menschlich gewachsen bin. Uns fehlt häufig die Zeit, über die Dinge

nachzudenken. Das schnelle Handeln steht jetzt im Vordergrund.

Erzählen Sie uns bitte über das Haus in Kossiv und ihre Mitschwestern.

Kossiv liegt im Südwesten der Ukraine. 2003 wurden wir gebeten, einen Kindergarten zu gründen.

Seitdem arbeiten dort vier Schwestern, die im Untergeschoss des Gemeindezentrums einen

Kindergarten betreiben. Als wir unser Haus für die Unterbringung von Flüchtlingen umfunktioniert

haben, musste die bisherige Tätigkeit pausiert werden. 

Was passiert mit den Spenden die Sie bekommen?

Unsere Niederlassung hat sich zu einem Logistikzentrum entwickelt, in dem Spenden ankommen,

sortiert und weiterverteilt werden. Wir leisten in zweifacher Hinsicht Hilfe. Einerseits versuchen wir

die Armee zu unterstützen und somit die Soldaten an der Front. Wir packen Erste-Hilfe-Pakete mit

medizinischen Materialien und nähen Kleidung und Schutzwesten. Auf der anderen Seite kümmern

wir uns um die Geflüchteten aus den Kriegsgebieten, die bei uns Zuflucht gefunden haben.

Außerdem unterstützen wir die Bevölkerung vor Ort, weil die Lebensmittel so teuer geworden sind.

Die meisten Menschen kommen zu uns, weil sie wissen, dass die Kirche nicht korrupt ist und sie das

Vertrauen haben, bei der Kirche nicht ausgebeutet zu werden. Nachdem die ersten Flüchtlinge

kamen, war die Nähe zu Polen hilfreich. Die funktionierende polnische Infrastruktur konnten wir für

die schnelle Versorgung nutzen.

Der Krieg dauert schon eine Weile. Wie gehen Sie und die Leute vor Ort mit der Situation um?

Haben Sie Angst?

Am Beginn des Krieges hatte ich keine Angst, da unsere Stadt an sich keine Bedeutung für den

Angreifer hat. In der Nähe der größeren Städte wurden Flughäfen, Industrieanlagen und die

Infrastruktur bombardiert. Inzwischen hat sich die Situation verändert und wir leben in Angst, denn

immer häufiger hört man von Angriffen auf Zivilisten, wie vor ein paar Tagen in einer kleinen Stadt in

unserer Nähe. Dort schlugen vier Bomben mitten im Stadtzentrum ein. Inzwischen merken wir aber

auch, dass wir uns an diese schwierige Zeit gewöhnt haben. Wenn die Sirenen nun heulen, gehen die

Kinder zum Beispiel routiniert zu den Notfallrucksäcken und in den Schutzbunker.

Glauben Sie an ein baldiges Ende des Krieges?

Ich hoffe sehr stark, dass der Krieg bald endet. Realistisch betrachtet wissen wir aber, dass wir

noch einen langen Atem haben müssen.

Wenn ich eine Bitte an euch haben darf, schließt uns in eure Gebete ein!

 

Liebe Sr. Noemi, vielen Dank, dass wir bei Ihnen seien durften und Sie sich für uns Zeit genommen

haben. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Kraft bei Ihrer Arbeit und hoffen, dass wir uns bald zu

besseren Zeiten wiedersehen. Sie sind jederzeit herzlich in Dresden eingeladen.

Szcześć Boze (Grüß Gott auf Polnisch 😉 das haben wir bei Noemi gelernt)!






Seit Anfang Juni läuft die Spendenaktion „WENIGER IST MEHR“. Inzwischen konnten wir 9.000,– Euro an das Kinder- und Jugendheim in der Ukraine überweisen. Vielen Dank für Ihre großzügige Unterstützung. Aktuell spenden ca. 200 Personen. Es werden noch weitere Spender:innen gesucht, die bereit sind, 6,– Euro pro Monat zu spenden. Sie können einen Dauerauftrag einrichten oder den Betrag in einer Summe auf unser Konto überweisen mit dem Zweck: Weniger ist mehr.
Im kommenden Pfarrblatt finden Sie ein Interview mit der Oberin des Heimes.

Außerdem wollen wir in diesem Jahr in allen Erntedank-Gottesdiensten Spenden sammeln, für die dann Lebensmittel für unser Kinderheim in der Ukraine gekauft werden können.

Kaplan Przemek Kostorz