Besuch aus Erfurt bei Brücke zw. Gefängnis und Gemeinde

Erfurter Priesterseminar interessiert sich für die Brücke zwischen Gefängnis und Gemeinde

Im Rahmen eines mehrtägigen Besuchsprogramms von Gästen aus dem Priesterseminar Erfurt in der Pfarrei St. Martin wurde ihnen auf Initiative von Kaplan Kostorz am 14.01.23 auch das in die Pfarrei integrierte Projekt „Brücke zwischen Gefängnis und Gemeinde“ vorgestellt.

 

 

 

Die Brücke ist ein Gemeinschaftsprojekt von Gefängnisseelsorge, der Pfarrei St. Martin und dem SET-FREE e.V. Ehrenamtliche Mitarbeiter*innen haben eine „Doppelmitgliedschaft“. Sie sind sowohl Ehrenamtliche der Seelsorge als auch des Vereins SET-FREE. Die Brücke beinhaltet folgende Elemente:

  • 2 ehrenamtliche Seelsorger*innen aus der Pfarrei, die monatlich einen Gottesdienst in der JVA mit den Inhaftierten feiern
  • Fürbitten, die Gefangene bei den Gottesdiensten aufschreiben und für die dann in der Gemeinde gebetet wird. In der Adventszeit gab es ein „Fürbittenwichteln“, d. h. Gefangene haben auch für Anliegen von Gemeindemitgliedern gebetet.
  • Ehrenamtliche, die einen Gefangenenchor leiten, der alle Gottesdienste in der JVA (katholisch und evangelisch) mitgestaltet
  • Ehrenamtliche, die einzelne Inhaftierte in der JVA begleiten und sich dann auch im Übergangsmanagement und in der Nachsorge engagieren
  • Freiraum-Begegnungstage als fester Bestandteil der Pfarrei, die alle 2 Monate stattfinden und einen gemeindlichen Raum für gelockerte Inhaftierte, Haftentlassene, deren Bezugspersonen, Ehrenamtliche und interessierte Gemeindemitglieder anbieten
  • Einzelne Initiativen, die von den Ehrenamtlichen mit unterstützt werden, wie bspw. die Weihnachtsaktion in der JVA, bei der jeder Inhaftierte ein kleines Weihnachtspäckchen bekommt

Frau Sorek und Herr Nitsche, die beiden ehrenamtlichen Seelsorger*innen, beschrieben die Tiefe der Gottesdienste, vor allem den Moment, wenn es die Möglichkeit gibt, Teelichter für die eigenen Gebetsanliegen vor einer Christusikone anzuzünden, wie Einzelne sich hinknien und vor der Ikone verharren und es ganz still wird, bis alle ihre Anliegen vorgebracht haben. Sie berichteten vom Chor als „Kerngemeinde“, die aktiv den Gottesdienst mitgestaltet, wie Einzelne sich beim Vortragen der Lesung und der Fürbitten einbringen und wie sich die Teilnehmer des Chors mitverantwortlich für den Gottesdienst fühlen. Für die Teilnehmer wurde erfahrbar, wie das Gefängnis für die Menschen, die sich dort engagieren, zu einem Ort eigener existentieller Christusbegegnung wird.

Frau Lang machte deutlich, wie wichtig für diese Brücke ein Zusammenwirken von professioneller Seelsorge, Ehrenamtlichen und Betroffenen ist und wie in dieser Kooperation mit Gemeinde und dem Verein diese Kompetenzen eingebracht werden. „Es braucht keine `Kirche für die Armen´, sondern eine `Kirche der Armen´“, so Lang. Sie sprach davon, dass die „Levis und Magdalenas von heute“ aus dem Knast und aus der Szene kommen und wie manche von ihnen sich im Gefängnis für andere Inhaftierte engagieren und sich so bei ihnen ein Stück Berufung entfalten kann. Aber sie beschrieb auch die Not, dass es in Freiheit für sie dann oft keine Orte gibt, wo in gleicher Weise diese Berufung weiterwachsen könnte. Aus diesem Grund hat die Gruppe in der Pfarrei mit den sog. Freiraum-Treffen begonnen. Hier können Ehemalige einfach dazu kommen, sie können Verantwortung übernehmen, man spricht ihre Sprache und sie sind herzlich willkommen. Die Treffen enden mit einer gemeinsamen Wortgottesfeier oder einer Taizéandacht im Rahmen der „Liturgie der feiernden Gemeinde“. Die Gruppe berichtete davon, wie die Offenheit der Betroffenen ansteckt und sich so manches Gemeindemitglied inzwischen ebenfalls sehr persönlich einbringt. So wirkt die Brücke auch wieder befruchtend in die Gemeinde zurück.

Die Besucher unter der Leitung von Subregens Egon Bierschenk zeigten sich vom Engagement der Teilnehmer*innen beeindruckt, bedankten sich für die Lebendigkeit und die spürbare positive Ausstrahlung.

(al)