Liebe bekannte und unbekannte Heilige,
heute möchte ich meinen Brief an Euch richten. Da mir nicht alle Heiligen namentlich bekannt sind, habe ich diesmal eine allgemeine Anrede gewählt und hoffe, dass sich alle angesprochen fühlen.
Ich bin sicher, dass die meisten Heiligen nicht heilig wurden, weil sie während ihres irdischen Daseins Macht und Herrschaft ausgeübt haben und über große materielle Vermögen verfügt haben. Sie werden sich – so stelle ich mir das vor – an den Werken der Barmherzigkeit orientiert haben, die ihren Ursprung in der Bergpredigt unseres Herrn, dem wir als Christen nachfolgen wollen, haben. Vielen Christen sind die 7 Werke der Barmherzigkeit bekannt. Nicht so bekannt dürften die 7 geistigen Werke der Barmherzigkeit sein.
Heute möchte ich in meinen Brief das erste Werk der Barmherzigkeit „Dem Hungernden zu essen geben“ in den Mittelpunkt der Überlegungen stellen. Dieser Satz klingt sehr simpel, wenn alle Menschen, nein ich möchte dies nur auf alle Christen beschränken, diesen Satz in der Praxis umsetzen würden, gäbe es erheblich weniger Hungernde auf dieser Erde. In Russland gibt es eine schöne Sitte. Bei jedem Essen wird ein Platz am Tisch mehr gedeckt. Dies soll dem Gast gelten, der plötzlich auftaucht. Nun muss man nicht mehr Essen auf Tisch stellen, um es dann zu entsorgen, wenn der Gast eben nicht gekommen ist. Es würde aber dazu führen, dass man sich immer im Klaren wäre, dass es doch Personen gibt, die nichts zu essen haben. Es ist unsere Aufgabe, zumindest darauf hinzuwirken, dass die Politiker sich in Erinnerung rufen sollten, dass sie sich mindestens im gleichen Umfang, wie sie für Waffen eintreten, in dem irrsinnigen Glauben dadurch Frieden in die Welt zu bringen, um den Hunger in der Welt kümmern sollten. Liebe Heilige, es scheinen sich ja einige von Euch nach wie vor, um die Hungernden dieser Welt zu kümmern, sonst gäbe es nicht die Aktionen der christlichen Kirchen „Misereor“ und „Brot für die Welt“. Aber auch unsrer Papst, Franziskus, hatte 2015 das Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen. Ich muss bekennen, dass mir das damals gar nicht bewusst war. Wahrscheinlich habt Ihr, liebe Heilige, mich jetzt daran erinnert.
Aber, so werdet Ihr mir jetzt erwidern, es geht um mehr. Den Hungernden zu essen geben bedeutet im übertragenen Sinne eine gerechte Entlohnung, es bedeutet Gerechtigkeit für alle Menschen. Es muss nicht unbedingt der Urkommunismus, wie Ihr Heilige es Euch für die Welt wünschen würdet, Realität werden. Aber es wäre schon viel gewonnen, wenn die Fragen, wie eine Gerechtigkeit in dieser Welt überhaupt zu erreichen wäre, schlicht und einfach in das Bewusstsein insbesondere derjenigen, die sich Christen nennen, gerückt wird.
Vielleicht regt der erste Satz aus den Werken der Barmherzigkeit auch dazu an, sich einmal wieder intensiver wieder mit der Bergpredigt zu befassen. Diese ist viel revolutionärer als viele glauben. Die Umsetzung der Bergpredigt hat sogar das Potenzial zu einer echten Revolution unserer Gesellschaft, die ohne Waffen eine neue Welt auf dieser Erde schaffen könnte.
Liebe bekannte und unbekannt Heilige, vielleicht sendet Ihr einmal einen Impuls an unsere Kirchenführer, damit sie sich wieder mehr mit den Werken der Barmherzigkeit und nicht nur mit einer Organisationsstruktur der Kirchenverwaltung befassen. Ein Hungernder benötigt Brot und keine schönen Worte und erst recht keine optimalen Strukturen einer Organisation. Folgen wir Christus nach, der uns ans Herz legte: Gebt dem Hungernden etwas zu essen!
Es grüßt Euch herzlich in die Ewigkeit
Eurer Erdenbürger Jörg-Michael Bornemann