Pfingsten – Geistliches Wort

Irgendwo im hintersten Winkel einer Großstadt sitzt einsam und verlassen der Heilige Geist und friert. Er hat endlich begriffen: Es will ihn keiner. Ja, vor 2000 Jahren war er der Star in Jerusalems Gassen – und in aller Munde. Alle verstanden ihn. Jung und Alt, Klein und Groß, Fremd und Heimisch, alle waren außer sich durch ihn.
Leider hatte die Euphorie nicht sehr lange angehalten. Ein paar Jahre, Jahrzehnte vielleicht, Optimisten sprechen sogar von Jahrhunderten. Schnell war er in Vergessenheit geraten. Seine leisen Versuche, sich bemerkbar zu machen, wurden erfolgreich ignoriert. Bald kam er sich überflüssig vor, verstoßen, an den Rand gedrängt, vertrieben.
Die leisen Versuche einer Revitalisierung freuten ihn zwar, verliefen sich aber jedes Mal nach kurzer Zeit im Sand. Und was hat es der Gesellschaft, dem Menschengeschlecht, gebracht, dass sie ihn verstoßen und dann links liegen gelassen hat?
Andere Geister treten an seine Stelle und besetzen den freigewordenen Spielraum: Un-Geister, unheilige Geister, die man nicht mehr los wird, wenn man sie einmal gerufen hat.
Aus dem Geist der Weisheit, der den Blick öffnet über seinen eigenen Horizont, wird der Ungeist der Engstirnigkeit, der dem Menschen klar macht: nur das, was sich innerhalb deiner Schädeldecke abspielt, ist auch wesentlich und wichtig. Aus dem Geist der Einsicht, der begreifen lässt, dass das Leben aus mehr besteht, als aus Wünschen und Launen, wird der Ungeist des leichten Glücks, der trügerisch garantiert, dass Alles geht. Aus dem Geist des Rates, der zur rechten Zeit das rechte Wort gebiert, wird der Ungeist der Geschwätzigkeit, dessen Tausenden von Worten keine Taten folgen.
Aus dem Geist der Erkenntnis, der zur richtigen Beurteilung verhilft, wird der Ungeist des Vorurteils, dessen Ziel es ist, gedanklich zu vernichten. Aus dem Geist der Stärke, der die Macht zum Überzeugen und des Bekennen verleiht, wird der Ungeist des Mitläufers. Aus dem Geist der Frömmigkeit, der den Glauben in Freiheit und Freude entfaltet, wird der Ungeist der gnadenlosen Bigotterie, der allein den Buchstaben erfüllt.Und schließlich: Aus dem Geist der Gottesfurcht, der um Gott und seine Würde weiß, wird der Ungeist der Angst vor Gott. Ja, und aus dem Geist der Liebe entsteht der Ungeist par excellence, der Ungeist der Gleichgültigkeit, dessen zerstörerische Gewalt gar nicht abzuschätzen ist, weil er, wie sein Name schon sagt, ja allen gleichgültig ist.
So denkt der Heilige Geist, in seinem Winkel frierend, einsam und verlassen: Was soll ich tun? Die Menschen scheinen nicht begreifen zu wollen. Sie ignorieren mich, lassen mich erfrieren, holen sich Geister über Geister ohne Ende und ohne zu merken, welch katastrophale Auswirkungen das auf sie haben wird. Sie rennen blind und mit Begeisterung einfach weg von mir. Sei es, wie es sei, denkt sich der Heilige Geist, und wirkt dabei wieder etwas lebendiger: Ich bleibe hier! Sollen die Menschen doch treiben, was sie wollen…

Eine ungehaltene Pfingstpredigt von Bischof Franz Kamphaus (gekürzt), bereitgestellt von Pfr. Ludger Kauder