Die Gemeinde St. Hubertus hatte für den 23. September 2023 zur diesjährigen Wallfahrt eingeladen nach Nordböhmen.
Vom Kloster Osek oder Osegg, wie die deutsche Form heißt, hat wohl jeder schon gehört. Aber wer kennt Maria Ratschitz? Doch, ein Wallfahrer kannte den Ort, Dr. Herbert Wagner, und er rief uns die sieben Schmerzen Mariens ins Gedächtnis, denen Kirche und Gemeinde gewidmet sind. Der Ort liegt 6 km von Osek entfernt, ist geprägt von Chemieindustrie und Kohleabbau. Die Geschichte des Ortes ist eng verbunden mit dem Zisterzienserkloster Osek.
Als dieses durch Plünderungen in Gefahr geriet, gründete 1275 der Abt von Osek Maria Ratschitz als Zufluchtsort für die Mönche. 1280 wurde das Gnadenbild der schmerzhaften Muttergottes in die Kirche gebracht. Es begannen die Wallfahrten. Sie wurden immer größer und bedeutender, die Blütezeit des Ortes war im 18. Jahrhundert. Eine neue Kirche im Barockstil wurde erbaut.
Die Gebäude für die Pfarrei wurden großzügig wie für eine Propstei geplant. Dazu kam es dann allerdings nicht. Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Kreuzgang ausgemalt. Im Deckengewölbe ist die Lauretanische Litanei dargestellt, an den Wänden gibt es viele Votivbilder. Um 1890 war der Höhepunkt der Wallfahrten, 1945 brach diese Tradition ab. Mit der politischen Wende 1989 kehrten Zisterzienser nach Osek zurück. Die Tradition der Wallfahrten nach Maria Ratschitz wurde wieder aufgenommen. Seit dem Herbst 1994 gibt es regelmäßig am 13. eines Monats die Wallfahrt zum Fatimatag, dazu die Wallfahrt zu Mariae Geburt und Mariae Schmerzen am 15. September.
Heute leben in Osek keine Mönche mehr. Osek gehört mit Maria Ratschitz, Maria Schein und weiteren Orten zu einer Großpfarrei aus 12 Gemeinden.
2003 kam ein Priester aus dem Münsterland, Philipp Irmer. Er treibt den Wiederaufbau weiter kräftig voran, den geistlichen wie den baulichen. Seit 2008 ist er Pfarrer in Osek, heute leitender Pfarrer der Großpfarrei. Wir feierten hl. Messe in Maria Ratschitz mit Kaplan Christopher Cantzen, ebenfalls Münsteraner und nach seiner Priesterweihe 2021 in Leitmeritz vom dortigen Bischof nach Osek gesandt.
Heute sagt er: “Es kommt nun entscheidend darauf an, dass wir als Kirche bereit sind, Fragen zuzulassen, gemeinsam Antworten und Lebens- und Glaubenswege zu suchen und zu formulieren. Es kommt darauf an, die befreiende Botschaft Jesu Christi … überzeugend, glaubwürdig und lebendig zu verkünden.“ Durch die Vertreibung der Deutschen war das Katholische in diesem Landstrich so gut wie ausgelöscht. Die heutige Bevölkerung hat ihre alten Wurzeln verloren, sie müssen neu ihre Seele finden. Die beiden Priester öffnen ihre Türen für Einheimische, denen sie einen Rahmen bieten für vielerlei kulturelle Angebote des Ortes. Sie sind darüber hinaus Gastgeber für viele Wallfahrer und Übernachtungsgäste im großen Gebäudekomplex mit einer barocken Gartenanlage. Nach dem Marketing-Prinzip: „Hier kocht der Chef“ sind auch wir verwöhnt worden mit den Koch- und Backkünsten der beiden Priester, die sich auch noch um die Obstverwertung des Gartens und das Bierbrauen kümmern.
Zum Mittagessen fuhren wir hinüber nach Osek. Anschließend führte uns Pfarrer Irmer durch die Klosterkirche. Wir waren überwältigt. Ein herrlicher, leichter Barock in Gold und Weiß strahlte uns entgegen, ein wundervoller Raum mit viel Licht, schönen Gittern, schönem Chorgestühl empfing uns dazu die leuchtenden Farben der Erntedankgaben. Die Kirche kann man nur sehen mit einer Führung oder zum Gottesdienst. Das ist verständlich bei all den Schätzen, denn die Ausstattung war offenbar vollständig erhalten.
In dieser wundervollen Umgebung hielten wir mit dem Kaplan unsere Abschlussandacht.
Draußen war viel Leben. Junge Familien mit und ohne Kinderwagen hatten sich auf der Wiese versammelt. Dort gab es ein Theaterstück für die Kinder.
Unser bleibender Eindruck von diesem Tag: „Die Letzten werden die Ersten sein“. In Nordböhmen wächst Kirche, langsam aber stetig.
Text: Ilse Boddin