Jesus muß Abschied nehmen von der Vorstellung, dass seine Mission, seine Lebensaufgabe gelingt. Hochgejubelt, fallengelassen. „Hosanna“, „Ans Kreuz mit ihm“
Gründonnerstag:
Jesus nimmt Abschied von seinen Jüngern, seinen Freunden und Wegbegleitern. Er feiert das Abschiedsmahl.
Karfreitag:
Jesus muss Abschied nehmen davon, gerecht behandelt zu werden, verstanden zu werden, erkannt zu werden von den Menschen. Er muss Abschied nehmen von dieser Erde; er gibt sein Leben hin. Er muss Abschied nehmen von der Hoffnung, dass sein Vater eingreift.
Karsamstag:
Jesus schweigt. Todesstille. Grabesruhe. Nichts geht mehr. Schlusspunkt.
Kartage: kara, althochdeutsch: Klage, Kummer, Trauer
Es sind also Klagetage, Kummertage, Trauertage – Kein leichtes Thema. Das Kirchenjahr traut uns zu, in jedem Jahr uns neu auf diese Tage einzulassen. Meist tun wir das, in dem wir den Weg Jesu in unseren Gottesdiensten, Kreuzwegandachten, Passionslesungen nachgehen. Das ist schwer genug, für die, die sich darauf innerlich einlassen:
• von einem engen Weggefährten verraten und der Justiz ausgeliefert
• muss einen fragwürdigen Prozess und das Todesurteil über sich ergehen lassen
• wird gefoltert mit Geißelschlägen und einer Dornenkrone
• muss sein Mordinstrument, das Kreuz, durch die Stadt schleppen, unter den Augen vieler
• er wird umgebracht durch eine damals nicht unübliche Todesart: die Kreuzigung
Der Mensch, der dies alles durchlitt, heißt Jesus Christus, den wir als den Gottessohn glauben.
Welche HEILKRAFT könnte das für uns heute beinhalten?
Wir wissen, dass unser eigenes Leben nicht frei ist von Leiden, von Schicksalsschlägen, von Kränkung, von Enttäuschung. Und so ist das jährliche Bedenken der Leidensgeschichte Jesu auch eine Möglichkeit und eine Einladung an uns, unsere eigene Leidensgeschichte, Kränkungsgeschichte und Enttäuschungsgeschichte in die Kartage mit hineinzunehmen.
Wir wissen, dass Jesus diesen Weg des Leidens gegangen ist, vorausgegangen ist, bis hinein in den Tod. Er hat es selbst erlitten.
Und er hat zugesagt, dass er an unserer Seite geht, alle Tage unseres Lebens.
Die Einladung heißt: Geh an der Hand Jesu – durch das Leid hindurch. Lass dich stärken und trösten durch seine Gegenwart.
Wirf deinen Glauben nicht weg in schwerer Zeit, sondern halte erst recht daran fest.
Die Geschichte Jesus sagt uns: Das schmerzliche Hindurchgehen durch unsere Lebenskrisen, endet letztlich nicht im Grab, sondern im Osterlicht. Am Ende steht nicht der Untergang. Wir enden in den Armen Gottes!
Die Psychologie sagt uns: Nur wer sich den eigenen Krisen, Ängsten, seelischen Verletzungen und Schmerzen stellt, sie nicht verdrängt oder abspaltet, der wird gestärkt daraus hervorgehen. Die Fasten- und Osterzeit ist ein Prozess der Krisenbewältigung!
Ich weiß, das sind nur Worte. Erleben können wir es nur, wenn wir diesen Weg versuchen zu gehen. Deshalb die Einladung, die Kreuzwegstationen jetzt abzuschreiten mit unserer eigenen Geschichte.
Ich lade ein, jetzt mit einem bestimmten persönlichen Thema, das ihnen schwer auf dem Herzen liegt, die Kreuzwegstationen abzuschreiten. Welches eigene oder fremde Leid steht mir jetzt vor Augen? Von wem oder was muß ich Abschied nehmen: Von welcher Hoffnung? Von welcher Idee? Von welchem Lebensplan? Von welchem Menschen?
Und bitten Sie Jesus: Geh an meiner Seite! Reich mir deine Hand!
Rebekka-Chiara Hengge